Presseinformation: Ausstellung "Was fehlt dem Wohnbau"
Podiumsdiskussion im Rahmen der Ausstellung "gemeinsam bauen"
Gemeinsam bauen
Forderungen an die Salzburger Wohnbau- und Stadtentwicklungspolitik
Im Rahmen der Ausstellung „gemeinsam bauen“ der INITIATIVE ARCHITKETUR, die von rund 200 Interessierten besucht wurde, fand am 22.4.2010 eine Podiumsdiskussion statt, bei der Forderungen zur Unterstützung von Wohngruppen erhoben wurden.
Moderiert von Dr. Raimund Gutmann von der wohnbund:consult diskutierten:
-Mag. Christine Kubik, Leiterin Abt. 10 Wohnungswesen, Amt der Salzburger Landesregierung
-DI Annika Schönfeld, Vorstand der Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen, Wien
- Mag. Markus Sturm, Direktor der Gemeinnützigen Wohn- und Siedlungsgenossenschaft "SALZBURG"
- DI Arch. Franz Seidl, Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für OÖ und Salzburg
Konkrete Forderungen von INITIATIVE ARCHITEKTUR und wohnbund:consult
- Offensive Unterstützung von Baugruppen durch die Politik;
dies insbesondere in der Bereitstellung von geeigneten Grundstücken
- Einrichtung von Anlaufstellen für Interessierte und Beratung derselben, etwa durch das SIR, den Wohnbund oder andere, zu gründende Einrichtungen
- Bereitstellung von Grundstücken für Baugruppen durch Gemeinden und die Landinvest (Baulandsicherung neu)
- Angleichung der Förderung für Baugruppen an die Fördersätze bei der Errichtung bzw. dem Kauf von Eigentumswohnungen
- Wohngruppenprojekte in Miete (integriert und in Kooperation mit gemeinnützigen Bauträgern)
Die Erfahrung von früheren Baugruppenprojekten insbesondere die Renaissance dieser Wohnform in der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass selbstgewählte Nachbarschaften, die Vorstellung mit gleich Gesinnten selbstbestimmt ein Wohnbauvorhaben umzusetzen, zu hoher Zufriedenheit bei den Bewohnern führt. Wohngruppen werden aufgrund ihrer hohen sozialen Integrationskraft in deutschen Kommunen gezielt gefördert. Dort hat man den identitätsstiftenden Charakter solch prozesshafter Vorhaben längst erkannt. In Salzburg fehlen diese Beispiele heute vollkommen.
Franz Seidl, Architekt und Vizepräsident der Architektenkammer, er hat selbst mehrere Wohngruppen-Projekte betreut und geplant, stellte in seinem Statement fest, dass der Zusammenbruch der Wohngruppen-Modelle in Salzburg 1997 erfolgte. Damals plante er ein Projekt mit 40 Einheiten, als von der Wohnbauförderung die Meldung kam, dass die Förderung ausläuft, worauf diese große Gruppe zerfiel. Das Gebäude wurde zwar errichtet aber als normaler geförderter Wohnbau. Seither ist die Szene tot. Er plant nun, allerdings im eigenen Familien-Kontext mit zwei Patchwork-Familien ein Projekt. Seidl forderte, dass die Förderung für Wohngruppen, an die Sätze der normalen Wohnbauförderung wieder angeglichen werden muss. Die derzeit bestehende Förderung ist unattraktiv.
Die in Wien ansässige Stadtplanerin Annika Schönfeld und Mitbegründerin der Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen verwies auf die starke Baugruppen-Szene in Deutschland. In Hamburg, von wo sie stammt, werden selbst in exklusiven Stadtentwicklungsprojekten wie der Hafen-City, in unmittelbarer Nachbarschaft zur spektakulären neuen Philharmonie, Flächen für Baugruppen reserviert. Im Unterschied zu Österreich werden von vielen deutschen Städten wie Tübingen, Freiburg, Berlin oder eben Hamburg Baugruppen gezielt gefördert. Dies geschieht durch inhaltlich und logistische Unterstützung und Beratung, und was am wichtigsten ist, es werden Grundstücke für Baugruppen reserviert und diesen angeboten. Sie berichtete von Wien, wo es nun ebenfalls Ansätze gäbe, bei größeren Baufeldern wie in Aspern oder beim Areal am Südbahnhof, Teile für Baugruppen vorzusehen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass ein politischer Wille besteht, zivilgesellschaftliche Initiativen zu fördern.
Direktor Markus Sturm von der Wohnbaugenossenschaft „Salzburg“ konzentrierte sich in seinem Statement auf die Feststellung, dass der Ursprungsgedanke der Genossenschaften sehr eng mit dem Wohngruppengedanken verwandt ist. Die Hilfe zur Selbsthilfe stand auch am Anfang der Gründung in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Genossenschaft zählt allerdings mittlerweile rd. 7.000 Mitglieder, sodass der Bezug zum Einzelnen heute fehlt. Er betonte, dass die „Salzburg“ in der Vergangenheit mehrere Wohngruppen betreut hat und zwar in unterschiedlichen Modellen. Die „Salzburg“ würde dies auch in Zukunft anbieten, wenn es Interessenten gäbe, was zur Zeit aber nicht der Fall sei.
Frau Mag. Christine Kubik, Leiterin der Abteilung Wohnungswesen beim Amt der Salzburger Landesregierung stellte ebenfalls fest, dass es in Salzburg praktisch keine Wohngruppenprojekte mehr gibt (Förderung nach „Häuser in der Gruppe“). Im Hinblick auf die Förderungsmittel musste sie einräumen, dass sie schwach sind.
In der Diskussion regte Arch. Gerhard Sailer aus dem Publikum, ein simples Modell an. In Salzburg sei es es gang und gäbe über das Versprechen einer höheren Bebauungsdichte eine Entwicklung in Gang zu setzen, so Sailer. Sein Vorschlag ist eine Erhöhung der Bebauungsdichte von 10 %, wenn sich ein Bauträger verpflichtet für Wohngruppen zu bauen oder solche zu integrieren. Bei einer Dichte von GFZ 0,8 wäre dann GFZ 0,88 möglich. Die zusätzliche Fläche würde dem Bauträger eine bessere Ausnutzung bringen und das Ziel Baugruppen zu unterstützen, fördern. Voraussetzung sei, dass das Grundstück eine gewisse Größe erreiche. Aber bei größeren Stadtentwicklungsprojekten würde das inhaltlich Sinn machen, weil Baugruppen bekanntermaßen als sozialer Integrationsfaktor wirken.
Fotos zur Veranstaltung zum Download unter:
http://www.initiativearchitektur.at/page.php?id=105&item=1586
Foto 1: v.l.n.r.: Dr. Raimund Gutmann, Mag. Christine Kubik, Dir. Markus Sturm
Foto 2: Podiumsdiskussion in der Ausstellung „gemeinsam bauen“ bis 28. April zu sehen in der Initiative Architektur
Foto 3: Angeregte Publikumsdiskussion (Arch. Gerhard Sailer)
Foto 4: Podium v.l.n.r.: Arch. Franz Seidl, Dipl. Ing. Annika Schönfeld, Dr. Raimund Gutmann, Mag. Christine Kubik, Dir. Markus Sturm
© Initiative Architektur, Jana Breuste