Holzbauers Panikreaktion
Stellungnahme der INITIATIVE ARCHITEKTUR auf Architekt Wilhelm Holzbauers Untergriffe - Einige bemerkenswerte Fakten zum "Haus für Mozart"
21. Jänner 2003
Die Festspiele haben es zwar mehrfach angekündigt, dann aber unterlassen, das Projekt von Architekt Wilhelm Holzbauer in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die INITIATIVE ARCHITEKTUR hat diese Aufgabe übernommen und die anderen vier Projekte vergleichend ausgestellt. Die Besucher konnten erkennen, dass im Verhandlungsverfahren Projekte vorgeschlagen wurden, die der Holzbauer-Planung deutlich überlegen sind. Auch die Chronologie der Ereignisse "Jenseits von Architektur" dokumentiert, dass Holzbauer nicht wegen eines überzeugenden Projektes, sondern aufgrund unterstützender Maßnahmen von Festspielleitung, Politik u.a.m. zu seinem Auftrag kam.Holzbauers daher verständliche Nervosität und Verunsicherung spiegelt sein unkontrollierter Untergriff, die INITIATIVE ARCHITEKTUR als "inkompetente ''Rotzbuben''" zu diffamieren, wider. Der Vorstand behält sich zivil- und strafrechtliche Schritte vor.
Die Tatsachen sprechen für sich, gegen Holzbauer und für die Forderung, rasch einen offenen, anonymen, internationalen Architekturwettbewerb durchzuführen. Hier eine Auswahl der Fakten, die zum Teil Holzbauers Nervosität erklären:
1) Holzbauer desavouiert die Kultur des Wettstreits der Ideen zur Findung der bestmöglichen architektonischen Lösung und nutzt dabei ein österreichweites Netzwerk an Beziehungen.
Ein konkretes Beispiel: In der APA-Meldung vom 16. 1. 2003 erklärt Holzbauer über die Architekten Bétrix&Consolascio, deren Projekt die Bewertungskommission vor Holzbauer an die erste Stelle reihte: "Die hätten sich am Wettbewerb ja gar nicht beteiligen dürfen, weil sie schließlich noch kein einziges Theater gebaut haben." Diese Behauptung ist allerdings schon lange widerlegt. Bétrix & Consolascio haben in ihrem Generalplanerteam die Planungsgruppe AB, die sowohl im Bereich der Bühnentechnik und Akustik, wie auch im Bereich von Architekturleistungen entsprechende Referenzen aufweisen kann.
Um die Erstgereihten Bétrix&Consolascio auszuschalten, hat Holzbauers Anwalt Heid der Festspielleitung ein Gutachten mit entsprechender Argumentation (12. 9. 2002) zukommen lassen. Ein von der "Haus für Mozart - Kleines Festspielhaus Umbau- und Verwaltungs GmbH" beauftragtes Gutachten von Architekt Sepp Müller, das am 24. 9. 2002 dem Auftraggeber auch schriftlich übermittelt wurde, widerlegt Holzbauers Gutachter, sodass der Festspielfond Bétrix&Consolascio nicht ausscheiden konnte.
Holzbauers bzw. Heids Gutachter war Mag. Alexander Latzenhofer. Dieser zweifelt die Eignung und Befugnis von Bétrix & Consolascio im Rahmen des Verhandlungsverfahrens an. Sie bedienten sich mit Latzenhofer eines ehemaligen Mitarbeiters des Bundesvergabeamtes. Ende 2001 und Anfang 2002 hatte dieser als Sachbearbeiter der Causa Festspielhaus für die Erteilung der einstweiligen Verfügung und deren zweifachen Verlängerung im Sinne Holzbauers verantwortlich gezeichnet. Mit Bescheid vom 12. 4. 2002 hatte schließlich das Bundesvergabeamt die Zuschlagsentscheidung an die erstgereihte Bietergemeinschaft ARGE Hermann & Valentiny/Wimmer Zaic Architekten "für nichtig" erklärt.
2) Weitere Holzbauer bevorteilende Winkelzüge werden das Licht der Öffentlichkeit erreichen. Das ominöse Spirk-Gutachten ist eine solche tickende Bombe, die eigentlich das Bundesvergabeamt interessieren müsste.
Seit Ende Oktober 2002 läuft das von Bétrix & Consolascio beantragte Nachprüfungsverfahren beim Bundesvergabeamt. Bis zum heutigen Tag – 11 Wochen später – wartet der Rechtsvertreter von Bétrix&Consolascio noch immer auf die Möglichkeit, das nicht von der Akteneinsicht ausgenommene Privatgutachten Spirk einzusehen. Latzenhofers Nachfolgerin als zuständige Sachbearbeiterin des Bundesvergabeamts erklärt auf telefonische Anfrage am 20. 1. 2003, dass das Spirk-Gutachten nicht greifbar und keine zeitliche Perspektive über die Verfügbarmachung möglich sei. Es bleibt offen, ob es der Festspielfonds überhaupt an das BVA übermittelt hat oder es inmitten des Aktenbergs schlummert.
Das Spirk-Gutachten spielte bei der Sitzung des Festspielkuratoriums am 10. Oktober 2002 eine zentrale Rolle. Die vier Kuratoriumsmitglieder Landeshauptmann Schausberger, Bürgermeister Schaden, sowie die Herren Wiesmüller und Radel nahmen es als Basis für ihren Beschluss, die Erstreihung der Bewertungskommission von Bétrix&Consolascio zu Holzbauers Gunsten umzudrehen. Dafür wollte sich Kuratoriumsmitglied Armin Fehle nicht hergeben. Er verließ unter Protest vor der Abstimmung den Raum: Zuvor hatte er das Spirk-Gutachten als "im höchsten Maße anfechtbar" bewertet und verneint, dass es im Rahmen der zu erwartenden Nachprüfung durch das Bundesvergabeamt standhalten könne. (Protokoll der Kuratoriumsitzung am 10. Oktober 2002, S. 4)
Gravierende Mängel des Spirk-Gutachtens sind bereits durch das Sitzungsprotokoll bekannt: Spirk bewertet nur die Zahl der Sitzplätze - dafür dies zweimal (bei 1.2a und 3.2), was vergaberechtlich gar nicht zulässig ist - und ausschließlich den quantitativen Vorsprung Holzbauers von 90 Sitzplätzen, in einer baurechtlich und veranstaltungsstättenspezifisch nicht geprüften Planung mit 1590 Sitzplätzen. Spirk berücksichtigt nicht die Qualität der Sitzplätze, die beim Holzbauer-Projekt wesentlich unattraktiver sind als beim Projekt von Bétrix&Consolascio (siehe weiter unten). Bei der kaufmännischen Komponente ignoriert Spirk Mehrkosten von rund 3 Millionen Euro bei Holzbauer. Sie hätten den jährlichen Mehreinnahmen für die 90 zusätzlichen Sitze waren noch nicht von angeblich erzielbaren rund 200 000 Euro gegengerechnet werden müssen.
3) Die mäßige Qualität des Holzbauer-Projekts verdeutlicht der Vergleich (Projektstand Herbst 2002).
Bétrix & Consolascio: Präzision und Intimität
Ihr intelligentes Arbeiten mit dem Baubestand erreicht hohe Raumökonomie, ohne auf räumliche Großzügigkeit verzichten zu müssen, sodass das gesamte Raumprogramm erfüllt wird. Das führt zu einem kompakten Zuschauerraum und zu angemessenen Foyerbereichen. Die Galerieebene des Karl-Böhm-Saals wird Richtung Hofstallgasse zu einem stattlichen Foyer erweitert. Der von drei Galerien umfangene Zuschauerraum ist ungleich intimer als Holzbauers Gegenstück mit seinen sperrigen Rängen.
Wilhelm Holzbauer: Repräsentative Gestikulationen
Holzbauers perspektivische Handzeichnung des Saals im Stil von Clemens Holzmeister der 1950er Jahre suggeriert die Breitenausdehnung des "Großen Hauses". Die Perspektive mit der monumentalen Stiegenhalle zeigt indes eine in der Realität unmögliche Höhenentwicklung des Foyers. Saal und Luftraum der Halle benötigen den Großteil des verfügbaren Volumens, ohne dabei besonders attraktive Aufenthaltsqualitäten anzubieten.
Für zahlreiche Räumlichkeiten fehlt hingegen der Platz und die gewünschte Probebühne wird verworfen werden müssen. Bétrix & Consolascio ist hingegen die Berücksichtigung aller geforderten oder gewünschten Räumlichkeiten eine Selbstverständlichkeit.
Holzbauer teilt das Foyer zwischen "Kleinem Haus" und Felsenreitschule in zwei schmale Gänge. "Baupolizeilich wird ein zusätzliches Treppenhaus notwendig, auch die Felsenreitschule wird von Fluchtwegen betroffen sein," ist neben funktionalen Problemen durch die Bühnenabsenkung einer der Kritikpunkte im Stichwortprotokoll der Bewertungskommission vom 28. 8. 2002.
Da sowohl Holzbauer wie auch Bétrix&Consolascio ihr Konzept im Wesentlichen innerhalb der 19 Meter entwickeln, lohnt der Vergleich von Raum- und Sitzplatzqualität, der eindeutig zugunsten der Schweizer ausfällt.
Holzbauer hat auf den Seitenbalkonen 238 gegenüber nur 96 weniger guten Sitzplätze bei Bétrix & Consolascio. Die Bühnenabsenkung bei Bétrix & Consolascio von rund 35 cm gegenüber dem Niveau des Toscaninhofs führt nicht zu derart gravierenden Mängeln im Funktionsablauf wie die Absenkung durch Holzbauer von rund 1,5 Meter. Bétrix & Consolascio erzielen zudem durch eine größere Steigung eine bessere Sicht im Parterre (insgesamt 2,5 statt nur 2,0 Meter bei Holzbauer/Sub. Valentiny).
Wesentlich ist die zentrale Vorgabe der Ausschreibung, die Reduktion der Entfernung Bühne-Zuschauer "auf ein vertretbares Maß (kleiner als 30 Meter)". Bei Bétrix & Consolascio liegen nur 7,5 % der Plätze darüber. Die Sichtlinie in der Mitte vom eisernen Vorhang zum weitest entferntesten Sitzplatz beträgt 35 Meter, bei Holzbauer hingegen 39 Meter gegenüber 43 Meter im Bestand von 1963.
Domenig/Eisenköck/Lorenz: Der Zuschauerraum als Mittel- und Ausgangspunkt
Das Architektenteam erreicht sogar nur 33 Meter, was einer Verbesserung um ganze 10 Meter entspricht. Sie haben nämlich den Zuschauerschlauch auf beiden Seiten durchbrochen und planen einen großzügigen, bis zu 25 Meter breiten Raum. Ähnlich den anderen Teams bieten sie über 1500 Sitzplätze an. Die "Funktion des Theaters sehr gut, praktisch ein Neubau", heißt es im Protokoll. Domenigs Neustrukturierung geht vom Zuschauer aus und erfüllt ungezwungen zeitgemäße akustische, visuelle und funktionelle Erfordernisse. Der räumlichen Großzügigkeit des Zuschauerraums entsprechen jene der sehr gut zur Felsenreitschule angebundenen Foyerbereiche.
Wimmer/Zaic (2002) bzw. Hermann/Valentiny/Wimmer/Zaic (erstgereiht 2001) und Bétrix & Consolascio (erstgereiht 2002) lassen – im direkten Vergleich der drei innerhalb der Bauflucht situierten Projekte - Holzbauer deutlich hinter sich. Daher ist es aus unserer Sicht unverantwortlich, mindestens 28 Millionen Euro in die Realisierung des Holzbauer-Projekts zu investieren, das mögliche Verbesserungspotenzial gegenüber dem Bestand von 1963 nicht ausreichend ausschöpft.
Holzbauers Architektur ist rückwärtsgewandt. Ihm fehlt eine zeitgemäße Handschrift, die dem 21. Jahrhundert im Dialog mit der historischen Bausubstanz und Holzmeisters charaktervollen Um- und Neubauten der Zwischenkriegszeit angemessenen Raum gibt. Holzbauers Zelebrierung des Unzeitgemäßen vermischt sich mit Anlehnungen an Konkurrenzprojekte zur Konfektionsware. Er kombinierte Elemente der später aufgehobenen Verhandlungsrunde 2001, wie die Dachterrasse über dem Glasdach des Foyers (Projekt Friedrich) mit der VIP-Lounge (Projekt Hermann/Valentiny/Wimmer/Zaic).
Hinzu kommt, dass dem Bauherrn ein Gesamtkonzept fehlt. Dringender Handlungsbedarf bestünde nämlich bei der Verbesserung der Zuschauerbereiche der Felsenreitschule, wodurch sich beim "Kleinen Haus" neue architektonische Möglichkeiten eröffnen. Die Neustrukturierung Domenig/Eisenköck/Lorenz, die das Volumen des verbreiterten Zuschauerraums skulptural in Erscheinung treten lässt, deutet diesen von den Festspielen gänzlich ignorierten, aber einzig richtigen Weg an. Zudem ist die Stadt gefordert, sich der Neugestaltung des stadträumlichen Umfelds des Max-Reinhardt-Platzes zu stellen.
4) Der Planungsfortschritt von Holzbauer ist schleppend. Die längst fällige Behandlung baurechtlicher und veranstaltungsstättenspezifischer Vorschriften führt erst jetzt zu jenem Projektstand, den die Architekten Bétrix & Consolascio am 10. 9. 2002, also vor über vier Monaten, erreicht haben.
Trotz des angeblich enormen Termindrucks – Mozart 2006 ist das Argument - geht der Planungsfortschritt sehr langsam voran. Dies liegt nicht an der "Haus für Mozart - Kleines Festspielhaus Umbau- und Verwaltungs GmbH", sondern am Planungsteam Wilhelm Holzbauer und Subunternehmer François Valentiny. Deren interne Koordination scheint nur äußerst schleppend vonstatten zugehen. Von Synergien durch den Zusammenschluss – wie von LH Franz Schausberger oder Intendant Peter Ruzicka angekündigt – ist nichts zu erkennen.
Die Sachverständigenkommission für Altstadterhaltung hat Holzbauer am 9. 12. 2002 aufgefordert, die Behebung der Mängel - darunter unzureichend gesicherte Fluchtwege laut Salzburger Veranstaltungsstätten-Verordnung - durchzuführen. Diese Abklärungen hätte Holzbauer im Rahmen des Verhandlungsverfahren vor dem 10.9.2002 durchführen müssen, was die erstgereihten, später ausgebremsten Bétrix & Consolascio entsprechend der Forderung der Bewertungskommission auch geleistet haben.
Trotz Entgegenkommens der Baupolizei gab es vor Weihnachten keine wesentlichen Abklärungen, sodass die substanziellen und notwendigen Umplanungen weiter verschleppt werden. Holzbauers Konzept wird dadurch nicht besser. Er ergänzte bis zu drei (!) zusätzliche Fluchtstiegenhäuser. Der ebenfalls angedachte Eingriff in die vom Bauherrn immer als "Tabuzone" bezeichnete Felsenreitschule bedeutet dort Sitzplatzverluste.
Größte Probleme gibt es auch in der Eingangshalle, damit die zum offenen Luftraum orientierte Hauptstiege als eigener Brandabschnitt funktionieren kann.
5) Holzbauer ernannte sich selbst zum strengen Holzmeister-Denkmal-Schützer und machte mit diesen Argumenten Projekte der Mitbewerber schlecht. Wenn die Sachverständigenkommission für Altstadterhaltung dieselben Kriterien anlegt, muss sie Holzbauers Projekt ablehnen, da es eindeutig Holzmeisters Intentionen aushöhlt.
Holzbauer hatte den Aufstockungsvorschlag der 2001 erstgereihten Hermann/Valentiny/ Wimmer/Zaic als "Bombe gegen Holzmeister" kritisiert. Allerdings ist auch Holzbauers aktuelles Mansardendach kein Dienst an Holzmeister. Dieses tritt - ähnlich einer Aufstockung - über der Holzmeister-Fassade von 1926 in Erscheinung und konterkariert diese. Holzmeister hat Formen der Altstadthäuser interpretiert und die Lochfassade durch markant betonte Regenabfallrohre gegliedert. Damit suggerierte er altstadttypische Grabendächer, obwohl der Bau ein flaches Satteldach besitzt.
Unter den Fittichen des selbsternannten Holzmeister-Denkmal-Schützers Holzbauer zerbröseln Holzmeisters Intentionen. Holzbauers so genanntes "Stadtfenster" mit plumpem Balkon stört die Abfolge der Vorbauten seines einstigen Lehrers. Schüler Holzbauer verzerrt durch Untergraben zudem die Proportionen des Vordachbereichs von 1926. Holzbauer überlegt zudem, diese Terrasse Richtung "Stadtfenster" zu verlängern und durch eine Stiege zu erschließen.
Der kommende Termin bei der in diesem Fall um ein Mitglied des Gestaltungsbeirates ergänzten Sachverständigenkommission ist erst für Februar geplant, ganze zwei Monate nach der Dezember-Sitzung. Wenn die Kommission Holzbauers Projekt daran misst, ob es die Gestaltungsqualitäten seines Lehrers respektiert, muss es abgelehnt werden. Bei ungleich weniger bedeutenden Bauaufgaben legt die Sachverständigenkommission manchmal Bauherrn nahe, ein Wettbewerbsverfahren durchzuführen. Das wäre auf Holzbauers Festspielhausprojekt ebenso die logische Konsequenz.
Schlechte Aussichten
Die Situation ist vollkommen paradox: Holzbauer zerstört Holzmeisters Intentionen, ohne dabei das primäre Ziel der 28-Millionen-Investition zu erreichen, nämlich eine grundlegenden Verbesserung der Sicht- und Hörverhältnisse des Zuschauerraums.
Der Zuschauerraum bleibt bei Holzbauer unverändert schlauchförmig und wird nur unzureichend gekürzt. Dass dessen Verbreiterung – ohne oberflächliche Sakralisierung Holzmeisters - machbar ist, dokumentiert das Projekt Domenig/Eisenköck/Lorenz und Architekt Gerhard Garstenauers Eigeninitiative außerhalb des Verfahrens.
Letzte Hoffnung
Die INITIATIVE ARCHITEKTUR wiederholt daher ihre Forderung nach einem offenen, anonymen, internationalen Architekturwettbewerb mit entsprechend erweiterten Aufgabenstellungen in der Ausschreibung sowie mit einer Jury aus einschlägigen Experten (Architektur-, Bühnen- und Akustikfachleuten).
Der Vorstand der INITIATIVE ARCHITEKTUR
Salzburg, am 21. Jänner 2003